Halbjahreszeugnis schlecht? Experten geben Tipps
Swantje Goldbach, Pädagogische Leiterin, zu Rate gezogen im Artikel der Berliner Morgenpost vom 31.01.2020 06:00 von Susanne Leinemann
BILDUNG
Fünf Experten – vom Sorgentelefon über einen Schulleiter bis zum Nachhilfe-Institut - geben Tipps, wie trotzdem alles gut werden kann.
Wenn die Noten auf dem Halbjahreszeugnis schlecht sind, kann schon mal die Verunsicherung groß sein - bei Schülern und bei Eltern.
Es ist wieder so weit: Halbjahreszeugnisse! Für viele Kinder und Jugendliche ein großer Moment der Freude, aber nicht für alle. Mancher ist auch enttäuscht, wenn er das Blatt in den Händen hält. Da steht dann in einem oder mehreren Fächern eine schlechte Note, wie soll man damit umgehen? Keine Sorge! Wer als Schülerin oder Schüler schlechte Noten auf dem Halbjahreszeugnis vorfindet, der hat noch gute Chancen, dem Schuljahr eine produktive Wende zu geben. Wie die gelingen kann, darüber sprachen wir mit fünf Experten, die von Schule etwas verstehen.
Hilfe, die Noten im Halbjahreszeugnis sind wirklich schlecht! Die Wut ist groß! Wie soll ich mich jetzt als Schüler überhaupt noch motivieren?
Gina Ionescu von der Online-Beratung Jugendnotmail: Natürlich darf man sich kurz ärgern und auch wütend sein, aber damit ändert man nichts. Schlechte Noten sind kein unveränderliches Schicksal, sondern man kann selbst einiges tun, um die eigene Situation zu verbessern. Um etwas zu verändern, muss man das Problem oder die Ursache erst einmal verstehen. Man sollte also seine Zensuren und die jeweiligen Fächer genau unter die Lupe nehmen. Und sich fragen: Warum sind die Noten so ausgefallen? Nach der genauen Analyse sollte man sich realistische Ziele setzen. Erster Schritt um ins Handeln zu kommen, ist darüber zu sprechen. So bleibt man mit seinen Problemen nicht alleine. Freunde, Verwandte oder Lehrer können eine wichtige Unterstützung sein. Oder sich der Jugendnotmail anvertrauen.
Und die Eltern – die trifft beim schlechten Zeugnis oft der Schlag. Woher kommen plötzlich all die schlechten Noten? Manche drohen danach sogar mit dem Anwalt...
Norman Heise, Landeselternsprecher Berlin: Es sollte für Eltern nicht unbedingt überraschend sein, wenn das Kind mit einem schlechten Zeugnis nach Hause kommt. Viele Schulen bieten Eltern zur Mitte des Halbjahres Prognosegespräche an oder versenden aktuelle Notenstände; wenn man solche Termin wahrnimmt, hat man schon früh die Chance, mit den Lehrern ins Gespräch zu kommen und Leistungen zu verbessern. Aber natürlich muss man als Eltern auch selbst einschätzen, ob man die Noten des Kindes nachvollziehen kann. Und wenn man sagt, diese Zensur kann ich jetzt überhaupt nicht verstehen, dann ist der erste Ansprechpartner für diese Bedenken die Schulleitung – und nicht ein Anwalt.
Wie ist das für Grundschulkinder, wenn sie das erste Mal Noten kriegen? Weicht dann die Vorfreude schnell der Enttäuschung?
Dagmar Wilde, vom „Sorgentelefon“ der Senatsverwaltung für Bildung (Grundschulbereich): Erstmal bestimmen die Eltern ja selbst in den Elternversammlungen, ab wann es Notenzeugnisse gibt. Und dann ist es ja nicht das erste Mal, dass die Kinder Noten kriegen – es gibt ja schon vorher benotete Leistungskontrollen und Klassenarbeiten. Ob die Kinder von ihren Noten enttäuscht sind, hängt oft sehr stark von den Erwartungen in der Familie ab. In sehr ehrgeizigen Familien sind manche Kinder schon enttäuscht, wenn sie „nur“ eine Zwei auf dem Zeugnis haben, weil sie das Gefühl haben, sie müssten noch leistungsfähiger sein. Wieder andere sind beglückt, dass da noch eine Drei steht - und keine Vier. Aber grundsätzlich gilt: Schlechte Noten beschädigen das Selbstwertgefühl, egal wie alt die Schülerin oder der Schüler ist. Deshalb braucht man nach schlechten Noten immer Bestärkung, auch von den Eltern – und vor allem Unterstützung, um die Leistungen bis zum nächsten Zeugnis zu verbessern. Eltern, Lehrkräfte und Kind müssen die dafür erforderlichen Schritte gemeinsam besprechen.
Mal ganz konkret gefragt – das Probejahr auf dem Gymnasium ist gefährdet, zu viele Vieren, Fünfen oder gar eine Sechs. Welche Chancen hat man als Schüler noch?
Tilmann Kötterheinrich-Wedekind , vom Interessensverband der Berliner Schulleitungen: Man muss sich jeden Fall individuell anschauen. Prinzipiell hängt es davon ab, wie der Leistungsstand insgesamt ist – wie hoch ist die Zahl der mangelnden und ungenügenden Noten auf dem Halbjahreszeugnis? Wir haben auch als Gymnasium die Möglichkeit, Schüler gezielt zu fördern, beispielsweise durch zusätzliche Förderstunden oder Nachhilfe. Man muss den Schülern nach dem Wechsel von der Grundschule auch Zeit geben, manche Kinder brauchen länger, um sich zu entwickeln. Aber klar ist – wir an den Gymnasien haben eine genauso große Verantwortung, uns um jedes Kind zu bemühen und möglichst alle Kinder zum Abitur zu führen. Für manche Schüler ist ein Abitur nach 13 Jahren auf der Sekundarschule aber der bessere Weg. Dann bieten wir an, einen Platz an einer passenden ISS zu suchen – immer im Einvernehmen mit den Eltern. Die Zeiten des „Abschulens“, wie damals im dreigliedrigen Schulsystem, sind in Berlin vorbei.
Die Panik ist groß – jetzt muss ganz flott die Nachhilfe her. Aber bringt die wirklich was?
Swantje Goldbach, pädagogische Leiterin der Nachhilfeschule „Lernwerk“: Jeder Schüler will gut in der Schule sein. Davon bin ich überzeugt, und deswegen kann auch der schlechteste Schüler noch rechtzeitig aufholen. Und die Halbjahreszeugnisse betteln ja förmlich um Einsatz! Will man das Ruder noch herumreißen, ist das oberste Gebot die kühle Analyse des Zeugnisses sowie die Ursachenforschung. Gibt es nirgendwo ein Highlight bei den Noten, sind Kinder und Jugendliche entweder in der Schule überfordert oder haben keine Kraft mehr. Die Lernvoraussetzungen stimmen nicht, und die Mädchen und Jungen müssen als erstes „das Lernen lernen“. Unlust beim Lernen hat immer eine Ursache! Im Hefter blättern ist Selbstbetrug. Lernen funktioniert mit konkreten Etappenzielen, Zeitmanagement, guten Gewohnheiten und echter Motivation. Ausgerüstet mit effektiven Lerntechniken würde ich in der Nachhilfe dann dasjenige Fach in Angriff nehmen, in dem der Schüler schon mal gut gewesen ist und was ihn eigentlich interessiert. Gerne auch ein Nebenfach! Es geht darum, schnell einen Ausgleich, einen Lichtblick in dem Meer aus „Mangelhaft“ zu schaffen. Mit einem Anfangserfolg steigt die Motivation. Der schnellste Weg zu besseren Noten geht über konsequente mündliche Mitarbeit. Es lohnt sich, dafür zu trainieren.
Zum Originalartikel der Berliner Morgenpost: https://www.morgenpost.de/berlin/article228291251/Halbjahreszeugnis-schlecht-Experten-geben-Tipps.html