Online-Stunden, Ferienkurse: Nachhilfe in Krisenzeiten
Viele Anbieter haben die Corona-Zeit zum Ausbau ihres Angebots genutzt – Kann der Unterricht auch in Zukunft davon profitieren?
Von Rüdiger Braun
Potsdam. Wohl denen, die die Zeichen der Zeit erkannten und wie der bundesweit agierende „Studienkreis“ oder das in Berlin beheimatete Lernwerk Extra-Nachhilfe als Antwort auf ausgefallenen Unterricht während der Corona-Pandemie entwickelten. „Wir haben 25 Prozent mehr Anfragen als im Vorjahr“, sagt die Sprecherin des Lernwerks Berlin, Claudia Hamboch. Die Einrichtung unterhält auch einen Standort in Potsdam.
„Dabei liegt der Fokus vor allen Dingen auf unseren Ferienkursen.“ Die Eltern wollten unbedingt verhindern, dass die Kinder den Anschluss verpassen, deswegen setzten sie auf Nachhilfe. „Sie sagen uns explizit, sie wollen Defizite wettmachen“, so Hamboch. Gefragt seien Fächer wie Geschichte, Chemie oder eine zweite Fremdsprache, die während der Notbetreuung gegenüber den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch ins Hintertreffen geraten waren.
Wie manche andere Anbieter auch hat das Lernwerk direkt auf die Krise reagiert und bietet jetzt ausgeweitete Sommerkurse für Schüler unter dem Motto „Fit für die nächste Klasse“ an. Diese Online-Gruppenkurse dauern zwei Wochen statt wie bei sonstigen Sommerkursen nur eine Woche und richten sich an alle Kernfächer und alle Schularten.
Außerdem gibt es Naturwissenschaften für die Oberstufe. „Die Kurse orientieren sich strikt an den Rahmenlehrplänen“, erläutert Hamboch. Tatsächlich gehe es auch dem Lernwerk darum, mögliche Versäumnisse durch den Unterrichtsausfall zu kompensieren.
Das Lernwerk ist bekannt für Einzelunterricht. Während des Lockdowns hatte ihn das Unternehmen ganz ins Digitale verlagert. „Wir haben es geschafft, die Formate Einzel- und Gruppenunterricht aufrecht zu erhalten, das war schon ein Akt“, sagt Hamboch. Schon damals habe sich abgezeichnet, dass gestresste Eltern froh waren, wenigstens einen Lehrer online als Ansprechpartner verlässlich zur Verfügung zu haben. Seit dem 25. Mai findet der persönliche Unterricht aber auch am Potsdamer Standort wieder statt – mit einer Glasscheibe vor dem Lehrer und weiteren Hygienevorschriften. „Wir kriegen das ganz gut hin. Es gibt auch ein paar, die machen online weiter“, so Hamboch.
Dazu habe die Krise beim Lernwerk sogar ein neues Format hervorgebracht. Direkt nach dem Lockdown und während der Osterferien für alle Interessierten gratis gab es nachmittags eineinhalbstündige unterhaltsame Online-Kurse, etwa zum Satz des Pythagoras, die ein Lehrer live hielt. Das Angebot wurde so stark nachgefragt, dass es für Teilnehmer des Lernwerks beibehalten wurde. Geplant seien für die Sommerferien etwa die Sendung „Live vom Bienenkorb“ und ein Kochkurs auf Englisch.
Ganz andere Erfahrungen haben dagegen die Anbieter regulärer Nachhilfe wie der Inhaber des Lernstudios Barbarossa in Potsdam, Rochus Tschab, gemacht. „Leider Gottes“ habe die Pandemie bisher bei seiner Einrichtung noch nicht zu einer verstärkten Nachfrage geführt. Bei dem bundesweit agierenden Bildungsunternehmen „Schülerhilfe“ ist sie sogar rückläufig. „Sie liegt bei zwanzig Prozent unter dem Vorjahr“, sagt Sprecherin Denise Kirchberger. Sie weist darauf hin, dass jeder vierte Beschäftigte in Berlin und Brandenburg von Kurzarbeit betroffen war.
Für Stephan Bayer, Gründer und Chef der digitalen Plattform „Sofatutor“, ist das verständlich. „Nachhilfe ist sehr teuer“, sagt er. Dieses Jahr würden aber alle Schüler in Brandenburg versetzt, so dass enormer Druck von ihnen genommen worden sei, Nachhilfeunterricht zu nehmen. „Sofatutor“, das sich als Ergänzung zum Präsenzunterricht und auch als digitales Werkzeug der Schulen selbst verstehe, habe dagegen enorm von der Krise profitiert. „Wir hatten einen Run“, sagt Bayer. „Sonst nutzen etwa 1,5 Millionen Schüler im Monat unser Angebot, nun waren es 1,5 Millionen in einer Woche.“ Das System schlüssele zwar nicht nach Bundesländern auf, da die Firma mit Sitz in Berlin aber in Brandenburg sehr bekannt sei, dürften auch viele Nachfragen aus der Region
gekommen sein.
Als die Schulen ab dem 13. März geschlossen wurden, hatte „Sofatutor“ eine Million kostenlose Lizenzen für seine Plattform verteilt. Gerade in Brandenburg seien die Schulen oft wenig digitalisiert und froh gewesen, auf ein bestehendes System zugreifen
zu können. „Viele Lehrer, die das Digitale abgelehnt haben, haben es mal ausprobiert und gesehen, wie gut es funktioniert.“ Bayer ist sicher, dass diese Erkenntnisse den Unterricht nach Corona beeinflussen könnten.